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Überrascht von Trauer



Viele Menschen leben heute ihre Tage, als wenn es den Tod nicht gäbe. Wie ein Bekannter, der es mit Krebs und anderen schwerwiegenden Leiden zu tun hat, sagte "Ich sterbe nicht". Was für eine törichte Antwort, angesichts des tagtäglichen Leidens um uns herum. Machen wir uns nur die überlaufenden Arztpraxen in diesem Land bewusst. Deutschland ist ein krankes Land. Allein schon deswegen ist eine Verdrängungsindustrie tagtäglich damit beschäftigt, uns dies vergessen zu machen. Der riesige Heilmittelmarkt und die zahllosen Glücksversprechen der Esoterik sprechen für sich. Allzu verständlich, wenn der Gedanke diese Welt einmal verlassen zu müssen, ganz nebensächlich und klein wird. Doch, wenn dann im Freundes- und Bekanntenkreis das unvermeidliche eintritt, wird diese Art der Verdrängung schmerzlich durchbrochen. Wie ist es dann mit der Wohlstandgesellschaft bestellt, mit ihren Idealen ewiger Jugend, Schönheit und Unsterblichkeit?


Während noch in früheren Jahrhunderten die Menschen sich ernsthafte Sorgen um ihr Sterben und was danach kommt gemacht haben, ist dies heute in unserem westlichen Kulturkreis wie weggewischt. Scheinbar kann man damit eine Zeit lang ganz gut über die Runden kommen, aber man fragt sich doch schon, was ist das dann für ein Leben? Wie schafft es ein Normalbürger unseres Landes, sich Gedanken an den Tod vom Leib zu halten? Zu wissen, dass der umsorgte Körper einmal von Maden zerfressen oder im Krematorium zu Asche verbrannt in Nichts zerfällt. Und all das Bemühen, die Freuden und Leiden eines ganzen Lebens, die Sorgen um Kinder und liebe Angehörige völlig umsonst waren, wenn nichts bleibt. Was bleibt für Menschen, die sich in der Trostlosigkeit eingerichtet haben, die sich irgendwann damit abfanden, ein sinnloses Leben zu führen?


Stellen wir uns eine Trauergemeinde vor, die sich anlässlich eines lieben und geschätzten Menschen versammelt, um die "der letzten Ehre" zu erweisen. Der Prediger, Pastor, Freund oder ein Angehöriger stehen neben der Urne oder dem Sarg und rufen völlig unerwartet aus: Und, wer ist der Nächste?


Eine erschütternde Frage, die wie ein plötzlicher Regenschauer Blumen und Kränze, all die gefassten Beileidsbekundungen hinwegschwemmen würde. Was würde passieren, wenn all die Verstorbenen die Hinterbliebenen daran erinnern wollten, was der Schreiber in Psalm 90/12 notierte?

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.



Die Antwort auf Trauer ist Trost

Einige kennen dies sicherlich aus ihrem Leben: Irgendwo im nahen oder ferneren Umkreis stirbt jemand und die nahen Angehörigen oder Freunde tauchen mit ihrem Schmerz, ihrer Trauer einfach ab. Sind für Tage nicht zu erreichen und machen alles, was jetzt über sie kommt, mit sich selbst ab. Die Bereitschaft still vor sich hin zu leiden, den Schmerz zu verdrängen, stammt aus der griechischen Philosophie, die alles mit stoischer Ignoranz zu ertragen sucht. Wie unmenschlich, wen man bedenkt, wie sehr Trost und aufrichtige Anteilnahme für eine menschliche Seele bedeuten. Im wahrsten Sinne des Wortes hat sich unser Land in eine Trostlosigkeit hineinbegeben, die nur noch mit den allergrößten sozialen und therapeutischen Anstrengungen aufrechtzuerhalten scheint. Im gleichen Maße wie der christliche Glaube als Fundament westlicher Gesellschaften verschwunden ist, im gleichen Maße hat Trostlosigkeit um sich gegriffen. Wem gelingt es, dem Blick eines von Leid, Verzweiflung und Angst gezeichneten Mitmenschen zu begegnen? Wer spürt noch jenen Funken in sich, der trotz aller menschlichen Katastrophen und Weltuntergangsnachrichten Hoffnung bringt? Eine Hoffnung, dies sich nicht an vergänglichen Besitz und Gesundheit klammert, sondern den Sinn des Lebens in sich selbst erfahren hat.


Bin ich es wert, dass man um mich weint?

Stellen Sie sich abschließend vielleicht noch diese Frage ein paar mal, und zwar laut, dass ihre Ohren es hören:

Bin ich es wert, dass man um mich weint?

Und dann lesen Sie diese Antwort von jemandem, der um jede Seele weint, und auch Ihnen ganz persönlich zuruft:


Weil ich lebe, werdet auch ihr leben.


*Jesus von Nazareth nach seiner Auferstehung von den Toten vor 2000 Jahren. Johannes 14/19



Foto: Claudia Wolff







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